Marketing-Direktor Heiner Rütjes (li.) zeichnete die erfolgreichen Teilnehmer an der Start-Up-Werkstatt 2006 aus.
NIEDERRHEIN. Vielleicht sind das die Macher von morgen, die bereits heute viel Fingerspitzengefühl für neue Geschäftsideen gezeigt haben. Die aktuelle Start-Up-Werkstatt 2006 der lokalen Schülergruppen zeigt, dass man schon in jungen Jahren Geschäftssinn entwickeln kann. Zu den Projekten, die die Sparkasse am Niederrhein jetzt prämierte, gehörten der Media-Cube sowie eine Online-Zeitung von Lesern für Leser oder Angebote von Webdesign und Webhosting. Die Start-Up-Werkstatt ist bundesweit das größte Existenzgründer-Planspiel, bei dem Schülerteams spielerisch erste Erfahrungen mit dem Wirtschaftsleben machen können. Partner der Start-Up-Werkstatt im Rahmen der 1997 gegründeten Start-Up-Initiative sind die Illustrierte Stern, die Sparkassen, McKinsey u. Company und das ZDF.
Begleitet von Paten
Ihre innovativen Ideen setzten Schülerteams in einer virtuellen Firma um. Begleitet von jeweils einem Coach und einem Paten aus dem Geschäftsleben hoben die Schülergruppen ihre Geschäftsideen aus der Taufe. „Getroffen haben wir uns einmal die Woche während der Schulzeit“, erzählt Jens Böttcher (17). Er gehört mit zu dem Team „Virtuelle News“ der Geschwister-Scholl-Gesamtschule. Die Idee ist einfach wie bestechend. Ihren Kunden bieten sie eine Online-Zeitung, in die der Leser auch eigene Beiträge schreiben kann. Hinzu kommen Bild-, Video- und Tonmaterialien. „Nach dem Postleitzahlensystem lassen sich vor Ort die neuesten Informationen abrufen“, erläutert Jens das Prinzip. Das Fazit der Gruppe: „Man bekommt viele Einblicke und neue Perspektiven. Interessant war für uns die Finanzkalkulation.“
Dem Dschungel von Medien wie DVD, CDs, Schallplatten und Videos begegnete die Gruppe des Julius-Stursberg-Gymnasium mit einem überzeugenden Speichersystem, dem Media-Cube mit kompaktem PC-System inklusive DVD-Schreib- und Lesegerät und Festplatte. Ideengeber war der 17-jährige Moritz Brinkmann. „Man hat mit einem Gerät auf alle Medien einen gezielten Zugriff. Das spart Zeit, man muss zu Hause nicht lange suchen“, meint Moritz.
Durchhaltevermögen
Im Rahmen der Siegerehrung lobte Heiner Rütjes, Leiter der Marketingabteilung, die Ideen und das Durchhaltevermögen der Schüler. „Ihr habt über den Tellerrand geschaut und gesehen, was es heißt, selbstständig zu sein.“ Bundesweit nahmen 1260 Schülergruppen mit virtuellen Firmen an der diesjährigen Start-Up-Werkstatt teil.
Folgende virtuelle Firmen wurden prämiert: Den ersten Platz belegten Karsten Krispin, Moritz Brinkmann, Frank Meier, Michael Rögels (Julius-Stursberg-Gymnasium/Neukirchen-Vluyn) mit „Nonlimited Products“ (Media-Cube). Auf den zweiten Platz kamen Jens Böttcher, Patrick Hopp, Tim Schmidt, Konstantin Klein, Jan Renner und Christopher Grigore (Geschwister-Scholl-Gesamtschule/Moers) mit „Virtual News“, einer Online-Zeitung für das Internet. Platz drei: Jens Thüringer, Johannes Höhmann, Sebastian Krempel (Anne-Frank-Gesamtschule/Moers) für „Pages4all“ mit Ideen zum Webdesign und Webhosting.
7.8.06
MOERS. „It ain’t gonna rain no more, ain’t gonna rain no more...“ Wie eine Beschwörungsformel sang Tomas Kubinek sein Begrüßungslied zum Festivalsamstag. Nachdem er sich am regenreichen Vorabend zuletzt sogar ausgezogen hatte, um die Festivalbesucher zum Durchhalten zu ermutigen („striptease to give courage“), sollte Petrus jetzt mit den Klängen der Ukulele besänftigt werde. Und siehe da: es funktionierte. Nur zwei, drei Mal wagte der Nieselregen vorsichtig einzusetzen, aber Kubinek wies ihn sofort in seine Schranken: „We had an agreement last night....“, und schon hörte es wieder auf.
Trudensucht in Moers
Ein trockener Abend also für ein Programm, das abwechslungsreicher kaum hätte sein können. Die erste Gruppe sei sehr laut, kündigte Kubinek an, und auch damit sollte er Recht behalten. Trude träumte von Afrika und ließ dabei nach besten Kräften die Felle zittern. Die trutschigen Hanseatinnen, die ihre Kochtöpfe gegen Trommeln und ihre Blockflöten gegen Rasseln ausgetauscht haben, schwelgen bis zum Siedepunkt in westafrikanischen Rhythmen, dass die falschen Perlen nur so fliegen. Eigentlich hätten sie ja einen Blockflötenwettbewerb erwartet, erklärten die verwegenen Damen, und so seien sie nun schon ein bisschen überrascht. Aber in aller Eile sei es ihnen gelungen, ein „modernes und ernsthaftes Programm zu erarbeiten“. Und das hatte es in sich. Ausgefeilte Rhythmik, mehrstimmige Gesänge, spannende Arrangements - und dazwischen immer wieder Klamauk, dass sich die Zuhörer vor Lachen bogen. Der Vorhof zur Hölle schien geöffnet, als die Truden mit verzücktem Lächeln und donnerndem Trommelterror und Urknalleffekten auf Kochtöpfen, Keksdosen und echten Trommeln, die sie mittels Kampfsportgürtel umgeschnallt hatten, ganz ohne Noten (oder doch fast) ihren Traum von Afrika lebendig werden ließen.
Wie eine Mischung aus Marlene Jaschke und Queen Elizabeth, modisch auf dem letzten bis allerletzten Stand und durch und durch anständig, zelebrierten die Truden ihre Elefantenniederkunft. Die Umstellung von der Blockflöte zur brachialen Trommel sei ihnen nicht leicht gefallen, versicherten sie, aber inzwischen beherrschen sie ihre Instrumente perfekt - allen voran Flower-power-Mathilde, grandios an der Snaredrum und voll im Drive. Natürlich stammen die Truden nicht aus Afrika, und auch die S-tücke sind „nicht so richtig echt“. Aber die gute Laune, die sie versprühen, die ist unverkennbar echt – und höchst ansteckend dazu. „Haben Sie das auch ges-pürt, ist das auf Sie rübergeschwappt?“ Welch eine Frage an diesem Abend: dem Beginn der Trudensucht in Moers.
Bruno ist tot, es lebe Bruno
Als Zugabe gab es einen Selbstverteidigungskurs mit Topfdeckel und Krückstock. Und den brauchte man symbolisch auch, um für „Fonsi“ gewappnet zu sein, den Kassenwart von Schloss Neuschwanstein, der die Welt aus seinem ganz eigenen Blickwinkel betrachtet und kein Blatt vor den bayerischen Mund nimmt. Mit viel Mut zu kruder Theorie und politisch mitunter recht zweifelhaften Ansichten lässt Fonsi alias Christian Springer sich über die Probleme der Welt aus: angefangen von dem Drama um Braunbär Bruno und WM-Maskottchen Goleo („sieht aus wie der uneheliche Sohn von Karl Dall und Tatjana Gsell“) bis zu Angela Merkels neuer Fußball-Leidenschaft und der drohenden Invasion des Chinesen, „der alles frisst, sogar Bierdeckel, weil er glaubt, das ist eine Katze, wo die Planierraupe drüber gefahren ist“. Nach dem Vorbild der Queen sollte Deutschland sich einen Hofnarren leisten, meint Fonsi, „aber das geht ja nicht, weil, wir ham‘ ja schon die Ulla Schmidt“. Der Mensch sei und bleibe nunmal „der größte Depp der Weltgeschichte“, da könne allenfalls die richtige Lebensweisheit helfen. Und die richtige Lebensweisheit, die man unseren dicken und doofen Kindern angesichts der Pisa-Studie vermitteln müsse, sei nicht mehr: „Früher Vogel fängt den Wurm.“ Nein, heute müsse es heißen: „Später Wurm verarscht den Vogel.“ Denn früher, da habe man halt einfach alles irgendwie gewusst. Aber heute – „Führerschein mit 17, Rente mit 67. Aber was machts die fuchzig Jahr‘ dazwischen?“
Martin Soan, Altmeister der alternativen britischen Comedy und Mitglied der legendären „Greatest Show on Legs“, nutzt die Jahre dazwischen zur Produktion von totalem Quatsch ohne Sinn und ohne Grund. Als einer der frühen Ideengeber der Comedy-Szene stellte Martin Soan gemeinsam mit seiner Assistentin Marie Flanagan in Moers das Ergebnis 30-jähriger Forschungsarbeit auf dem Gebiet des visuellen absurden Humors vor: „british humour on work, no pride and no shame.“ Die Requisiten sprachen für sich: Abflussrohre, Gummibänder, ein Maibaum, ein Streichholz und jede Menge wild gewordener Spielzeugfiguren, die sich sinnlos auf der Bühne drehten als perfekte Parodie. „Did you ever see Riverdance? It looks like this!“ Ob als Elefantenmann oder als Wellensittich, als barocker Edelmann oder geniales Michael-Jackson-Double in den verschiedenen Stadien der Schönheitsoperationen – Martin Soan versteht es, das Publikum mit seinen absonderlichen Ideen zu ergötzen. Nur einmal driftete das Verständnis von Humor weit auseinander: Als Soan seine tanzenden Spielzeugenten, der teuren Batterien wegen, wieder ausschaltete und aus dem Publikum einstimmig ein bedauerndes „Ohhhhhhhhh“ tönte, schüttelte der Komiker den Kopf: „You Germans are mad. Mader than me.“ Welch ein Kompliment aus berufenem Mund!
Teuflisch gut
Es folgte ein kurzes Intermezzo mit Mario Queen of the Circus, der schon im nachmittäglichen Straßenprogramm das Publikum verzaubert hatte. Mit seiner grandiosen Einrad-Nummer begeisterte der New Yorker Showstar, unterstützt von Claudia aus Neukirchen-Vluyn, auch das Publikum in der ausverkauften Arena. „Perfect, great, beautiful“, lobte Tomas Kubinek.
Nach dem trommellastigen Auftakt mit den Truden präsentierten „Deabru Beltzak“ aus dem nordspanischen Bilbao in ihrem gleichnamigen Musik-Spektakel Percussion der Spitzenklasse. In ihren diabolischen Kostümen wirkten die Musiker fast bedrohlich, wären da nicht die roten Sparkassen-Mützen gewesen, die sie sich scherzeshalber aufgesetzt hatten. Schwarze Teufel werden Deabru Beltzak nicht von ungefähr genannt. Leire Olaran, Alexandra Fernandez, Zésar Ogara, Lluis Queralfo, Fernando Barado und Txabi Elkorobarutia sind die Interpreten einer vor Temperament überschäumenden, feurigen und dabei höchst eigenwilligen Performance, die mit rhythmischer Dynamik und pyrotechnischen Effekten dieses theatralische Konzert zu einem besonderen Ereignis werden ließ.
Nach dem lauten Getöse gönnte Kubinek dem Publikum eine Ruhepause in Form eines Rückblicks auf 30 Jahre Comedy-Arts Festival. Ein bisschen Wehmut schwang in den Zuschauerreihen mit, aber auch viel Stolz, wen man schon alles in Moers hatte erleben dürfen. An dieser Stelle durfte der Dank an die Sponsoren des Festivals nicht fehlen, die NRZ und natürlich die Sparkasse Moers, die das Festival seit seinen Anfängen unterstützt hat.
Das krönende Finale des Abends gebührte den Preisträgern des Henriettchens 2006: Les Macloma. Das Trio aus Paris verzauberte mit seiner Comédie Clownesque: subtil, satirisch, sarkastisch. Seit über 35 Jahren arbeiten Guy Pannequin, Alain Catonne und Philippe Azoulay zusammen, und doch wirkte ihr Auftritt spontan und frisch. Manchmal haben die Sketche einen bitteren Beigeschmack, aber gesund, „wirklich gesund“, wie Literatur-Nobelpreisträger Dario Fo es formulierte, ist dieser Humor immer.Die Fotos vom Samstagabend beim Comedy Arts vermitteln einen Eindruck vom wechselvollen Programmbogen. Zum Vergrößern der Fotos einfach draufklicken.
MOERS. Das Trio aus Frankreich gewann das „Henriettchen“ 2006, den Preis des Internationalen Comedy Arts Festivals Moers. Les Macloma sind bekannt für ihren satirischen und bitteren Humor, der schmerzhaft, aber auch äußerst gesund sein kann. Der Kopf von Les Macloma ist Alain Catonne Philippe Azoulay, der für den weltberühmten Cirque du Soleil 1996 die Produktion „Quidam“ entwickelte. 2005 beendete das Trio diese Zusammenarbeit und kehrte, erfrischender denn je, auf die Theaterbühne zurück. Aufbauend auf dem klassischen Repertoire entstand eine „Comédie Clownesque“ auf höchstem absurden Niveau.
Überreicht wurde das Henriettchen, das seit 1991 von der Sparkasse vergeben wird, durch Giovanni Malaponti. „Es ist eine große Freude“, bekräftigte der Vorstandsvorsitzende der Kulturstiftung Sparkasse am Niederrhein, „als Sparkasse diesen Preis vergeben zu dürfen. Durch die Preisträger aus aller Welt, in diesem Jahr aus Frankreich, wird Moers in einen internationalen Kontext eingebunden, und es ist gut, das rüberzubringen.“
Werner Schrick verbindet mit Les Macloma, die er zuerst vor 30 Jahren gesehen hat, eine besondere Beziehung: „Das war poetische Clownerie. Die haben mich mehr inspiriert als Django Edwards und mich erst dazu gebracht, das Comedy Arts Festival zu machen." Mit der Preisverleihung in Werner Schricks letztem Jahr als Künstlerischer Leiter des Festivals schließt sich der Kreis.
MOERS. Traditionell wird beim Comedy Art Festival auch in den Straßen der Innenstadt gefeiert, und das sogar kostenlos. In diesem Jahr gaben sich „Married Men“ aus England auf dem Altmarkt die Ehre, wo sie ein großes Publikum mit ihrer Kunst faszinierten. Married Men – das sind Dave Evans und Mat Ricardo, die 18 Jahre lang weltweit als Solo-Performer unterwegs waren, bevor sie sich für eine Zusammenarbeit entscheiden haben.
Ihr Programm „Gentleman Juggling“ ist eine klassische Disziplin der Jonglierkunst, dargeboten in feiner Garderobe und im Stil des Vaudeville. Alle wollen „Married Men, das Comedy-Arts Festival hatte sie - und die Moerser ihren Spaß. Da wurde improvisiert und flinkfingrig jongliert, dazu in feinstem britischem Humor diskutiert, dass es eine wahre Wonne war. Selbst wer nicht alle Wortwechsel verfolgen konnte, wurde bestens unterhalten. „Hurry up“ – ein Kommando, und schon wirbelten Silberteller und Porzellantassen, Blumen und Vasen durch die Luft. „Everything is real“, versicherten die Künstler, alles sei echt, kein Trick, kein doppelter Boden. Das Köstliche an Married Men ist, dass sie sich selbst und ihre Show nicht zu ernst nehmen. „Warum er einen Löffel im Mund hat? Ganz einfach: Das ist englischer Humor.“ Something stupid, something dangerous, something incredible, something amazing – alles wurde geboten. Und während sie sich über den Tisch anzofften wie ein altes Ehepaar, wurde ganz nebenbei lässig weiterjongliert oder mal eben die Tischdecke unter dem Geschirr mit einem Ruck weggezogen und mit einem zweiten wieder aufgedeckt: „possibly the best trick you have ever seen“, der wahrscheinlich beste Trick, den man jemals gesehen habe.
„Mariooooooooooo...“
Unter großem Jubel verabschiedete sich das Duo von seinen neuen Moerser Fans und überließ die Altstadt-Bühne „Mario Queen of the Circus“. Queen, erklärte der Streetperformer aus New York, heiße er nicht nur seiner gewissen Neigungen wegen, sondern auch wegen seiner Liebe zu der Rockband Queen und Freddie Mercury, dem er frappierend ähnlich sieht. Für seinen Auftritt, erklärte Mario, müsse er eine perfekte Atmosphäre vorbereiten. Und in fünf Minuten, versicherte er, würden 1000 Leute seinen Namen schreien und niemand würde sagen: „Geh dahin zurück, wo du herkommst.“ Mit einigen wenigen Requisiten – einem roten Koffer, fünf Keulen und zwei Bananen – zelebrierte der geborene Showstar, angetrieben von den heißen Rhythmen von Queen, seine atemberaubende Show zwischen Jonglage, Artistik und strahlender Spiellaune. Witzig, sexy, exzentrisch, kurzum: einfach gut. Sein Kontakt zum Publikum gipfelte in der Einrad-Nummer „the dropped girl“, mit Assistentin Sabine aus den Zuschauerreihen.
Als das frische Band zwischen Sabine und Mario allzu eng zu werden drohte, stampfte Boyfriend Horst auf die Bühne, um im harten Duell mit weichen Bananen seine Frau zurückzuerobern. Von Bananenmatsch getroffen, ging Mario zu Boden. Eine köstliche Performance, spleenig und witzig zugleich. Nur ungern ließ das Publikum den Showstar ziehen, und aus 1000 Kehlen schallte laut sein Name durch die Innenstadt: „Mariooooooooooo...“Die Fotos vom Straßenprogramm beim Comedy-Arts Festival spiegeln das wechselvolle Programm. Zum Vergrößern der Fotos einfach draufklicken.
MOERS. „Happy birthday to you, happy birthday, dear Internationales Comedy Arts Festival Moers, happy birthday to youuu.“ Liebevoll, fast zärtlich klang das kleine Geburtstagslied, mit dem der zweite Festivaltag pianissimo begann. Gratulant Tomás Kubinek, aus Kanada stammender „Komödiant von hohen Gnaden“, leitete als Master of Ceremonies durch ein Programm, das von witziger Wort-Komik bis zu überschäumender Situationskomik alles zu bieten hatte, was die Lachmuskeln strapaziert. Der Abend lief im langsamen Andante an, steigerte poco a poco das Tempo und erreichte nach etlichen Allegro vivace-Passagen ein Finale furioso – nicht nur artistisch, sondern leider auch witterungstechnisch.
Ein fast trockener Auftakt war dem Duo Full House gegönnt, das Auszüge aus seinem erfolgreichen Programm „Existential BoomBoom“ spielte. Das vermeintlich ungleiche Paar – er der konfettiwerfende Possenreißer aus den USA, sie die Schweizer Pedantin mit Artistenherz und einem Faible für Abstimmungen aller Art – bot Akrobatik von höchster Könnerschaft. Das improvisiert wirkende Programm im bunten Salat aus sechseinhalb Sprachen bestach durch seine ausgefeilte Dramaturgie und die hohe Risikobereitschaft des Duos, dem es mit originellen Jonglagen und grandiosem pianistischem Können gelang, den Kontakt zum Publikum zu finden. Da fand sich auch, fast spontan, mit „Krischtoff“ der erste Freiwillige des Wochenendes. Den wohl akrobatischsten Beitrag zum Mozart-Jahr 2006 lieferte Henry Camus alias Leo nicht a cappella, sondern a castuhla, nämlich auf dem Rücken unter dem „Bonsai-Steinway“ liegend.
Kleines Nümmerli gefällig
Während bei diesen bezaubernden „kleinen Nümmerli“ der Wortwitz einen Sieg feierte, kamen Les Frères Duchoc in „Grosse Pression“, der ersten Deutschland-Premiere des diesjährigen Festivals, nahezu ohne Worte aus. Die französische Antwort auf Laurel und Hardy ächzte und stöhnte zum Steinerweichen bei ihrer stuhlakrobatischen Aufwärmübung mit Duchophone, dem Instrument für den polyrhythmischen Menschen: „Ha Ha Hu“ – gewaltig tönte der Schlachtruf eines musikalischen Spektakels der besonderen Art über den Platz.
Inzwischen hatte sich der leichte Nieselregen, nachdem er sich zunächst unter Kubineks Kommando dank des kräftigen Pustens aus den Publikumsreihen wieder verzogen hatte, zum verstärkten Wiederangriff entschieden und stellte den heimlichen Star des Abends vor: „the praktische Poncho in Universalgroße mit Kapuze.“ Aus einer simplen Regenhülle, die zum Kassenschlager avancieren würde, entwickelte Tomás Kubinek als der Meister des Unmöglichen, quasi aus dem Ärmel geschüttelt, eine Slapsticknummer allererster Klasse. „Give us more“, rief er mit weit ausgebreiteten Armen gen Himmel – und der ließ sich nicht lange bitten. Es goss wie aus Kübeln, die Zuschauer ergriffen scharenweise die Flucht, und keine Nummer hätte in diesem Moment besser passen können als die witzige Kanuwettfahrt mit oder vielmehr gegen ein Gummientchen.
Das 1999 gegründete Trio „Trifolie“, was seine Mitglieder Rolf Neuendorf, Axel Vandenabeele und Sven Stutzenberger selbst als „Wahnsinn zu dritt“ bezeichnen, zeigte die verrückten Seiten des Daseins, ohne viel Worte zu machen. Mal poetisch, mal ironisch, mal rabenschwarz – aber immer genial! Mit einem Hang zu absurden Situationen und überraschenden Pointen und einem Stil, der Elemente der Pantomime, der Clownerie und des Comicstrips vermischt, zogen die Akteure das Publikum in ihren Bann. Visuelle Comedy mit Lachgarantie. Ups!
Laute Pantomime
Danach wirkte Patrick Cottet-Moines visuelle Einmannshow zunächst fast ruhig, obwohl sie als die lauteste Pantomimevorstellung von Frankreich gilt. Geradlinig wie ein Strommast macht der hagere Franzose von seiner Gestalt Gebrauch und bringt mit seinem unvergleichlichen Gebärdenspiel die Zuschauer zum Lachen. Und das mit einer Miene, als könne er kein Wässerchen trüben. Ob als ein mit einem widerspenstigen Fisch kämpfender Angler oder ein mit einer lästigen Fliege ringender Hausmann am Bügeleisen, ob als Zorro, der sich in seinem Umhang verfängt oder als Tennisspielerin im reizenden Röckchen, die für den Sieg zu allem bereit ist – mit feurigem Blick und aufs Wesentliche reduzierter Handlung begeisterte der Künstler aus Toulon alle.
Oder wenigstens alle, die so lange geblieben waren, denn inzwischen hatte der Himmel über Moers sämtliche Schleusen geöffnet. Da half auch “the praktische Poncho“ nicht mehr, und nur Tomás‘ alias Sister Marys sonnigem Wesen war es zu danken, dass die wenigen Unerschrockenen, die bis zuletzt aushielten, ihre gute Laune nicht verloren. Wer tapfer den Wasserfluten von oben und unten und überall trotzte, kam zum guten Schluss noch in den Genuss einer ultimativen Comedy-Show zum Thema Sport, denn nach der WM musste natürlich auch etwas Sportliches im diesjährigen Programm dabei sein. Yllana aus Spanien, schon seit längerem international für ausgefallene Shows bekannt, zog in „Olymplaff“ alle Register der Visual Comedy. Die als Auftragsarbeit anlässlich der Bewerbung Madrids für die Olympiade 2012 entstandene Show mit Isabella Guss, César Maroto und Juanfran Dorado sorgte mit einem Feuerwerk der Lacher für das krönende Finale eines regenreiches Festivaltages.Die Fotos vom Freitag beim Comedy-Arts Festival vermitteln einen Eindruck vom wechselvollen Programmbogen. Zum Vergrößern der Fotos einfach draufklicken.
MOERS. Boh – wat’n Auftakt! Wenn Herbert Knebel in Moers „anschaffen tut“, bleibt kein Auge trocken. In seinem liebenswerten Ruhrpott-Slang philosophierte der Frührentner aus Altenessen zur Eröffnung des 30. Comedy Arts Festivals unter dem Motto „Ich glaub, mich holnse ab!“ über alles, was ihm vor die dicke Hornbrille kam.
Vorab hatte sich Werner Schrick, Vater und Initiator des Festivals, kurz blicken lassen, allerdings nur für die lapidare Mitteilung: „Ich mach den Scheiß hier zum letzten Mal.“ Sprach’s – und überließ die Bühne jenem Künstler, über den man doch tatsächlich noch streitet, ob er fürs Ruhrgebiet repräsentativ sei. „Herrlich, dat tut gut“, freute Knebel sich über den tosenden Begrüßungsapplaus und legte gleich los. „Ich sach Sie, ich hab‘ ne Woche hinter mir.“ Total zernervt sei er, von den Besuch von seiner Schwägerin Ilonna, dieser „Ansammlung von Schiss“, die schreit „wie ein Spieß“ und die man so herrlich piesacken kann. Immer nach dem Motto: „Spaß muss sein!“
Erfrischend sarkastisch
Mit seinem rustikalen Charme geht Herbert Knebel im gewohnten Opa-Look Alltagsthemen auf den Grund und schwadroniert erfrischend sarkastisch, wie sich dat im Leben seines Dafürempfindens nach alles so verhält. Aufgrund seiner einschneidigen Erfahrungen hat der Philosoph des kleinen Mannes zu allem wat zu sagen. Was man auch wissen will, bei Herbert ist man genau am Richtigen geraten. Er weiß nicht nur, wie man am geschicktesten eine Anzeige für „Kontakt mit ein anderes Geschlecht“ aufsetzt und dabei zwei Fliegen unter einen Hut schlägt, sondern kennt sich auch mit der magischen Kohlsuppendiät aus und damit, wieviel Energie man verbraucht, um den Kohl kaputt zu kriegen und anschließend abzugasen.
Als Trendsetter hat er den Überblick über die aktuelle Mode - bauchfreies Shört, wo rundum so eine Fettrolle rausquillt, in der Mitte ein dickes Pirrzing und hinten ne Tättowation – und die raffiniertesten Gesellschaftsspiele: „Mal was anderes, als immer nur Fernseh gucken oder vor der Glotze sitzen.“ Im Prinzip ist ja alles ganz einfach, und am besten ist immer noch „Mensch ärger mich nicht.“ Der Harndrang bei de Weiber und das Geheimnis wahren Männerurlaubs, das Trauerspiel des Gesundheitssystems und die Freuden eines klacksischen Abbonnemengs, die Tücken eines Sprachroboters und die Vorzüge eines Sparkassenkontos – alles wird zum Thema in dieser „kristallklaren Nacht vor bizarrem Publikum in noch bizarrerer Beleuchtung“.
Ein heulendes Duett
Und dann ist da natürlich auch noch Guste. Was wäre Herbert ohne seine gewichtige bessere Hälfte, die trotz des vor Jahrenden geschlossenen „Nichtangriffspakts“ nächtens plötzlich auf Wiedervereinigung drängt. Aber selbst das kann einen Knebel nicht erschüttern, denn gelernt ist gelernt – und überhaupt: „Meine Frau und ich, dat is ne Truppe.“ Die musikalische Begleitung zur Alltagsphilosophie hatte Ozzy Ostermann, die Pflaume aus Duisburg-Neudorf, „an und mit sein Eierschneider“. Mit die allerwärmsten Töne anmoderiert, spielte Ozzy „gar nicht mal so schlecht“ und heulte mit Herbert im Duett den Seitensprung-Song: „Hiermit gebe ich ihn zu, doch danach gab’s nur noch du.....“ Na ja, Romantik ist vielleicht wirklich nicht Herbert Knebel seine Baustelle. Aber alles andere, was das Leben „so an Fazetten feil bietet“. Das Publikum in der ausverkauften Arena schmunzelte, lachte, tobte vor Begeisterung. „Ein Super-Publikum! Ohne Scheiß!“ Nur gut, dass das nicht repräsentativ ist. Glaubse....Die Fotos vom Auftakt des 30. Comedy-Arts Festivals am Donnerstag. Zum Vergrößern der Fotos einfach draufklicken.