Klavierfestival: Jinsang Lee begeisterte im Martinstift

Glanz und Durchsicht waren die prägenden Merkmale bei Jinsang Lees bejubeltem Debüt in der Grafenstadt.

MOERS. Als Patin des Klavier-Festivals Ruhr, dessen Moerser Konzerte sie traditionell unterstützt, stellte die Sparkasse am Niederrhein zum Abschluss der diesjährigen Festivalgastspiele im Martinstift einen außergewöhnlich talentierten Nachwuchsstar vor: Jinsang Lee. Vor knapp einem Jahr hatte der junge Koreaner beim Tomassoni-Wettbewerb gleich drei Preise gewonnen. So erntete er neben dem ersten Preis den Spezialpreis des WDR-Rundfunkorchesters und den Scarlatti-Sonderpreis für seine Scarlatti-Interpretation, die er, so die Presse, „mit Glanz und Durchsicht“ vortrug.

Kein reines Virtuosenwerk

Glanz und Durchsicht waren auch die prägenden Merkmale bei Jinsang Lees Debüt in der Grafenstadt. Im nahezu ausverkauften Saal stellte der 25-Jährige die immens anspruchsvollen „Variationen über ein Thema von Niccolò Paganini op. 35“, Johannes Brahms‘ letztes großes Variationenwerk, ins Zentrum seines Programms. Zwar hatte Brahms das Werk „Studien“ genannt und ihm fast alle klaviertechnischen Künste seiner Zeit zugrunde gelegt, so dass es nur von Meistern der Klaviertechnik überhaupt bewältigt werden kann. Doch ein reines Virtuosenwerk, als das es meist gespielt wird, ist es dennoch keineswegs.

Jinsang Lee gelang es sehr eindrucksvoll darzustellen, dass die Paganini-Variationen viel mehr sind als effektvolle Tastenakrobatik. Überzeugend und dabei angenehm unprätentiös demonstrierte er, dass es sich vielmehr um eine Reihe von dichterisch inspirierten Tonbildern handelt, in denen sich tiefe Empfindung mit glanzvoller Spieltechnik zu geschlossener künstlerischer Einheit verbinden. Lee überwand die heiklen Passagen in rasantem Tempo, locker und beschwingt perlte das typische Violin-Thema, ohne dass der schwebende Charakter verloren ging.

Zwischenfarben

Melodische Sprünge, rauschende Oktavenglissandi, fliegendes Übergreifen der Hände, motivisches Gegenspiel in fast allen dynamischen und klanglichen Zwischenfarben, die der Flügel hergab – selten hat man diesen Meilenstein an glanzvoller pianistischer Spieltechnik, hoher Spiritualität und Tiefe des Empfindens so kompakt und zusammenhängend erlebt wie an diesem Abend. Die Zuhörer im Saal, unter ihnen auch die Sparkassenvorstände Karl-Heinz Tenter, Bernhard Uppenkamp, Winfried Schoengraef und Giovanni Malaponti mit ihren Ehefrauen, waren fasziniert.

Eingerahmt wurde der grandiose Zyklus von Mozarts heiterer Sonate Nr. 15 und Chopins anrührender Ballade Nr. 4. Mit sorgsam dosiertem Pedaleinsatz und sehr klarem, durchsichtigem Spiel ließ Jinsang Lee in seinem Auftakt, einer kleinen Referenz an das Mozart-Geburtstagsjahr, ganz deutlich den reifen Mozart spüren, der sich mit Bach beschäftigte und eine abgeklärte Serenität erreicht hatte.

Zahlreiche Bravi

Das stand in reizvollem Kontrast zum Chopin-Finale mit der spannungsreichen Ballade, deren tragisch-dramatischer Ausklang das Publikum sichtlich berührte. Dieser wundervoll bewegende Moment lebte weiter im berühmten Trauermarsch der b-Moll-Sonate, die Lee schön und vielstimmig spielte. Statt Chopins Form mit schmerzlichem Atem zu ersticken, stellte er meisterhaft musikalische Einzelheiten aus, sehr melodisch, aber nie verzärtelnd. Jubelnder Applaus und zahlreiche Bravi für einen eindrucksvollen und spannenden Klavierabend.

15.8.2006

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