Podiumsdiskussion der 19. Universitätswochen

Diskutierten auf dem Podium der 19. Universitätswochen in Moers Professor Nuschelers Thesen: (v.l.n.r.) Dr. Rupert Neudeck, Hans-Georg Crone-Erdmann, Bernd Müller, Professor Dr. Rainer Tetzlaff

MOERS. Wenn der frühere Direktor des „Instituts für Entwicklung und Frieden“ sich offen für Waffen und Gewalt gegen „Diktatoren afrikanischer Regierungen“ ausspricht, dann muss es weit gekommen sein. In seinem Impulsreferat zur Podiumsdiskussion der 19. Universitätswochen zeichnete Professor Franz Nuscheler zudem ein düsteres Bild der Erfolge von mehr als 40 Jahren Entwicklungspolitik in Afrika. Unter der Überschrift „Paradigmenwechsel in der Entwicklungspolitik“ beklagte der inzwischen emeritierte Professor für Internationale und Vergleichende Politik vor rund 300 Zuhörern in der Kundenhalle der Sparkasse die „unkoordinierte Projektitis“ vergangener Jahrzehnte.

Bankrotterklärung

Kritik am bisherigen Weg käme unterdessen auch aus Kreisen der Politik und der Weltbank, so Nuscheler. In vielen Ländern südlich der Sahara hätten die überwiesenen Milliarden nur politische Eliten alimentiert, aber nicht für funktionierende Strukturen gesorgt. Was als Investition in „Bausteine für eine Weltordnung“ gedacht gewesen sei, habe letztendlich die Talfahrt Afrikas beschleunigt. Nuscheler: „In allen Studien zur internationalen Wohlstandsentwicklung fällt der Kontinent immer hinten runter.“ Mit dieser Aufrechnung bescheinigte der Politologe der bisherigen Entwicklungspolitik den Bankrott.

Rupert Neudeck, Gründer des Komitees Cap Anamur, sowie Professor Rainer Tetzlaff von der Universität Hamburg und Hans Georg Crone-Erdmann, Hauptgeschäftsführer der IHK-Vereinigung NRW, diskutierten auf dem Podium Professor Nuschelers Thesen. Unter der Moderation von Bernd Müller (WDR) bildeten sich dabei starke Gegensätze heraus. Während Neudeck den Ruf nach immer mehr Soldaten und Waffen als „Skandal“ bezeichnete, beschwor Crone-Erdmann die gestalterische Kraft der Wirtschaft.

Gute Beispiele

Gute Beispiele dafür, dass sich mit Hilfe der Wirtschaft auch Länder entwickeln könnten, in denen es bislang keine stabilen, rechtsstaatlichen Strukturen gebe, seien China und Indien, so Crone-Erdmann. Rainer Tetzlaff, Professor für Politische Wissenschaft in Hamburg, sprach sich massiv gegen die Präsenz der Bundeswehr in Krisenländern aus und sagte dem Einsatz von Militär in Dafur das gleiche Schicksal wie in Afghanistan voraus. Tetzlaff: „Die Soldaten werden von der einheimischen Bevölkerung als unwillkommene Besatzer gesehen, was die Entwicklung tragfähiger Strukturen eher behindert.“

Unterdessen werde der Druck auf Europa immer größer. Neudeck: „In den nächsten Jahren machen sich rund 18 Millionen junge Afrikaner, die zuhause keine Perspektive haben, mit der Faust in der Tasche auf nach Schengen.“ Schengen sei dabei das Synonym für ein Europa der offenen Grenzen, die es an Schwachstellen wie Gibraltar oder anderswo zu überwinden gelte. Die internationale Gemeinschaft müsse lernen, so Professor Nuscheler, dass die klassische Entwicklungspolitik nicht mehr zum Ziel führe. Wenn Afrika in den kommenden Jahren ein Kontinent werden solle, in dem die Menschen auch bleiben können, dann müssten die vorhandenen Mittel zielgerichtet eingesetzt, faire Handelbedingungen geschaffen sowie für Sicherheit und Gerechtigkeit gesorgt werden.“

Regierungen müssen Verantwortung übernehmen

Die Bildung der Bevölkerung und die Stärkung von Regierungen, die Verantwortung für ihr Land übernehmen wollten, müssten zukünftig im Zentrum einer gemeinsamen Politik für Afrika stehen, waren sich am Ende alle einig. Zugleich setzten die Teilnehmer der Podiumsdiskussion ihre Hoffnung in den Lebenswillen und die Kreativität zukünftiger Generationen in Afrika.

19.Oktober 2006

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