300 Zuhörer beim Auftakt der 19. Universitätswochen

MOERS. Kritische Töne und gute Nachrichten brachte Karin Kortmann zum Auftakt der 19. Universitätswochen mit nach Moers. „Die Erfolge der Entwicklungspolitik in Afrika sind messbar“, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vor rund 300 Zuhörern in der Sparkasse. Zugleich seien die Aufgaben in den Ländern südlich der Sahara nach wie vor groß. Das Thema ihres Vortrages, „Herausforderung Afrika: Armut mindern. Globalisierung gestalten. Frieden sichern“, verdeutlichte die SPD-Bundestagsabgeordnete anhand praktischer Beispiele und konkreter Zahlen.

Regierungen in die Pflicht nehmen

So hätten im Vergleich zu 1990 heute 62 Millionen mehr Afrikaner Zugang zu sauberem Trinkwasser. Zugleich verfügten mehr als die Hälfte der insgesamt rund 850 Millionen Afrikaner täglich nur etwa über umgerechnet einen Euro zum Leben. Und mit allein zwölf Millionen Aidswaisen und rund Dreiviertel der jährlichen Aids-Toten weltweit melde sich eines der drängendsten Probleme des schwarzen Kontinents zu Wort. Karin Kortmann: „Bei der Bekämpfung von Armut, Hunger und Aids sowie bei der Stabilisierung von Recht und Demokratie in den einzelnen Ländern nehmen wir heute viel stärker als früher die dortigen Machthaber in die Pflicht.“

Wo dies nicht gelänge, drehe die Bundesregierung, wie im Fall von Simbabwe mit Staatschef Robert Mugabe geschehen, den Geldhahn zu. Dort und anderswo erhielten nur noch Stellen und Organisationen Geld, die nicht der Regierung unterstünden. Gegen Korruption und Gleichgültigkeit gegenüber der Not des eigenen Landes setze die aktuelle Entwicklungspolitik klare Worte und Taten.

Sichtlich böse Finanzministerin

Als Gouverneurin der Bundesregierung gestaltet Karin Kortmann unter anderem die Richtlinien regionaler Entwicklungsbanken mit. In einer der Konferenzen fragte die studierte Sozialpädagogin Kortmann eine amtierende Finanzministerin, warum die Erlöse aus dem Verkauf von Erdöl nicht für Projekte im eigenen Land eingesetzt würden. „Die Dame war mir sichtlich böse, Zustimmung europäischer Kollegen bekam ich aber erst später hinter vorgehaltener Hand“, verriet sie dem Auditorium der 19. Universitätswochen in Moers.

Ihr Fazit angesichts der jüngsten Erfolge im Bereich der Bildung und Agrarwirtschaft sowie in der Umweltpolitik und der Demokratisierung fiel zuletzt deutlich positiv aus. „Afrika ist kein großes, schwarzes Loch“, so die Staatssekretärin. Auch die vier Milliarden Euro, die die Europäische Union aktuell aus dem Entwicklungsfonds für Afrika gebe, seien wieder gut angelegtes Geld. „Sie helfen erneut, Inhalte zu vermitteln und Kooperationen zu knüpfen.“ Denn: „Wenn wir die Probleme dort nicht lösen, kommen die Probleme zu uns.“

Anregender Diskurs

In der Diskussion mit interessierten Besuchern stellte sich die Staatssekretärin vielfältigen Fragen zur ebenso komplexen Thematik. Einig waren sich Fragesteller und Frau Kortmann in der Einschätzung, mit der Förderung auch wirtschaftliche Interessen zu verbinden und der deutschen Wirtschaft beim Handel und dem Aufbau von Firmen in Afrika hilfreich zur Seite zu stehen. Auch setze man weiterhin auf sogenannte „motivierende Sanktionen“, wenn die jeweiligen Regierungen die Fördergelder nicht vereinbarungsgemäß einsetzen würden. Der Anmerkung, die Entwicklungspolitik folge zu sehr dem Gießkannen-Prinzip, setzte sie entgegen, dass sich die Bundesregierung künftig vermehrt auf ihre Stärken konzentrieren will. „Wir sind gut in der Wasserthematik, in Bildung und Gesundheit“, betonte Karin Kortmann.

In anderen Punkten wurde durchaus kontrovers diskutiert. Kritisch angemerkt wurde beispielsweise, dass die ungenügende Sicherheit der Bevölkerung in den afrikanischen Staaten ein Kernproblem sei, welches noch nicht gelöst sei. Zur Problematik, dass es afrikanische Studenten eher auf eine amerikanische Universität ziehe, konnte die Staatssekretärin immerhin auf höhere finanzielle Mittel für Studienprogramme verweisen. Ein umfassendes, tragfähiges Konzept werde derzeit entwickelt.

WDR-Moderator Bernd Müller

Weitere Antworten auf die Frage "Unsere Eine Welt – gehört die Dritte Welt dazu“, das Dachthema der 19. Universitätswochen in Moers, gab es am Donnerstag, 19. Oktober. Mit Dr. Rupert Neudeck, dem Gründer des Komitees Cap Anamur, sowie Professor Franz Nuscheler vom Institut für Entwicklung und Frieden war auch die zweite Veranstaltung hochkarätig besetzt. Nach dem Referat Professor Nuschelers zum Thema „Paradigmenwechsel in der Entwicklungspolitik“ diskutierten Professor Rainer Tetzlaff von der Universität Hamburg und Hans Georg Crone-Erdmann, Hauptgeschäftsführer der IHK-Vereinigung NRW, mit WDR-Moderator Bernd Müller. (Lesen Sie den bericht hier im Sparkassen-Kurier.)

Für die Schlussveranstaltung am Donnerstag, 26. Oktober, hat NRW-Minister Armin Laschet sein Kommen zugesagt. Der Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration wird über „Globale Gerechtigkeit und Entwicklung – Aufgabe für Politik und Gesellschaft“ sprechen. Die anschließende Diskussion moderiert wiederum Bernd Müller vom WDR. Für sämtliche Veranstaltungen sind die Eintrittskarten inzwischen vergeben. Die seit 1988 in jedem Jahr angebotenen Universitätswochen erfreuen sich damit eines ungebrochenen Zuspruchs bei den Kunden der Sparkasse.

20.10.2006

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