Esther Mujawayo-Keiner erreichte die Herzen vieler Zuhörer in Neukirchen-Vluyn

Direktor Bernhard Uppenkamp hatte zahlreiche Gäste im Mehrzweckraum der Sparkasse an der Poststraße begrüßt. Im Mittelpunkt stand Esther Mujawayo-Keiner.Franz Rohm, Vorsitzender des Vereins NV-Eine Welt, erinnerte an ein früheres Hilfsprojekt in Ruanda. Vorn rechts: Hannelore Schnapp, bei der die Moderation des Abends in besten Händen lag.

NIEDERRHEIN. Sie hatte sprachliche Schwierigkeiten, all das auszudrücken, was sie gerne sagen wollte - aber sie teilte letztlich mehr mit, als mancher eloquenter Deutscher hätte mitteilen können. Esther Mujawayo-Keiner, Autorin des Buches „Ein Leben mehr“ und Überlebende des Völkermordes in Ruanda, heilt mittlerweile als Pschotherapeutin die Herzen und Seelen betroffener afrikanischer Frauen und Kinder; sie erreichte jetzt im Rahmen einer Lesung im Mehrzweckraum der Sparkasse an der Poststraße die Herzen und Seelen einer großen Zuhörerschaft. Es gab gar nicht genug Sitzplätze - so groß war das Interesse an der ergreifenden Autobiografie einer starken Frau.

Die Gäste halfen

Oft fehlt das richtige Wort, das sie nur auf französisch sagen kann - aber schon kommt die Übersetzung von einem oder oft mehreren Gästen zugleich. Es ist immer wieder mal schwierig, Frau Mujawayo-Keiner zu folgen, aber alle sind unglaublich bemüht, es doch zu tun. Dann sagt sie wieder Sätze, die deutlicher nicht sein können: „Wir müssen Seelen heilen, aber auch ganz praktische Dinge tun, etwa Häuser wieder aufbauen. Wo sind die Männer? Wir können nicht auf die Männer warten, denn sie sind tot.“

Moderatorin Hannelore Schnapp interviewte die Autorin sehr geschickt und half damit vorzüglich, manche sprachliche Klippe zu meistern. Lektorin Gudrun Honke hatte das Buch, das in Frankreich wochenlang auf der Bestsellerliste stand, vorgestellt: Ein ganz und gar ungewöhnliches Buch, in dem erstmals die Frauen im Mittelpunkt stünden. Die meisten Überlebenden des Völkermordes (innerhalb von drei Monaten wurden 1994 von den Hutus in Ruanda eine Million Tutsi umgebracht) seien ja Frauen und Kinder gewesen. Frau Honke: „Das Buch hilft zu begreifen, was Völkermord ist, was es heißt, zu überleben. Es macht das Unfaßbare faßbar. Die Sprache zieht uns direkt in den Erinnerungsprozeß hinein.“

Sparkassendirektor Bernhard Uppenkamp hatte die Gäste herzlich begrüßt. Er verwies auf das tolle „Netzwerk der Vereine“ in Neukirchen-Vluyn, das von seinem Hause nach besten Kräften gestützt und gefördert werde. Uppenkamp dankte dem Verein NV-Eine Welt, dem Förderverein der Stadtbücherei und der Neukirchener Buchhandlung, die die Veranstaltung so engagiert mit vorbereitet hätten. Franz Rohm, NV-Eine-Welt-Vorsitzender, erinnerte an ein früheres Hilfsprogramm seiner Mitstreiter für Ruanda, das wegen des Krieges und späteren Völkermordes nicht zuendegeführt werden konnte.

Viele Namen genannt

Sie habe immer ein geteiltes Gefühl, so erzählt Esther Mujawayo-Keiner, wenn sie vor einer Zuhörerschaft vom schweren Schicksal Betroffener in ihrer Heimat berichte. Sie finde Mitgefühl und auch Beifall - „aber es wäre besser gewesen, es wäre gar nicht passiert...“ Warum sie das Buch geschrieben habe, warum sie darin die Namen so vieler Leidensgenossinnen nenne?

Es sei alles vernichtet, es gebe keine Vergangenheit mehr, antwortet sie. Aber: Vernichtung dürfe nicht das letzte Wort sein, das Leben sei immer noch da. Und auch in den schlimmsten Momenten habe es immer wieder einen Funken Menschlichkeit gegeben. „Für diesen Funken habe ich geschrieben.“ Sie begreife ihr Buch, so die Autorin, auch als Hilfe für die vielen Menschen, die sich in den Sorgen ihres Alltags verfangen. „Es ist immer wieder möglich aufzustehen!“ - Innerhalb der Vereinigung „Avega“ kümmert sich Frau Mujawayo-Keiner um das Wohl und Wehe von Frauen und Kindern, die den Genozid überlebt haben. Wer spenden möchte: Ev. Kirche Neukirchen, Konto 1420200154 bei der Sparkasse am Niederrhein (BLZ 35450000), Stichwort „Avega“.

14.4.05