Richard von Weizsäcker ist Gast-Professor in Duisburg
„Richard von Weizsäcker setzt sich mit den großen Herausforderungen unserer Zeit auseinander“, sagte Rektor Lothar Zechlin (links).
NIEDERRHEIN. Wer sich für Zeitgeschichte interessiere, so sagt Dr. Richard von Weizsäcker, „investiert in sein eignes Leben.“ Vor mehr als 800 Zuhörern hielt der Alt-Bundespräsident jetzt seine Antrittsvorlesung als Mercator-Professor der Universität Duisburg-Essen. „Richard von Weizsäcker setzt sich mit den großen Herausforderungen unserer Zeit auseinander“, sagte Rektor Lothar Zechlin, der dem 85-jährigen Staatsmann die Ernennungsurkunde samt einem Blumenstrauß überreichte.
Last des Reiches
Bis in die Anfänge des Heiligen Römischen Reiches wies Mercator-Professor von Weizsäcker im zum bersten gefüllten Audimax der Universität zurück. Sein erster von insgesamt zwei Vorträgen trug den Titel „Nach 200 Jahren offener Deutscher Frage“. Eine geeinte Nation hätten die Deutschen im Vergleich zu Nachbarn wie England und Frankreich erst mit Verspätung erreicht, so der Alt-Bundespräsident. Als Gründe dafür führte er die „Last des Reiches“, die dezentrale Struktur, die bis in die Zeit der Reformation zurückreiche, sowie die Schrecknisse des Dreißigjährigen Krieges an.
Kritikern, die in Kanzlerin Angela Merkel schon eine deutsche Margret Thatcher sehen wollen, hielt von Weizsäcker im Pressegespräch unmittelbar vor seinem Vortrag entgegen: „Diese Entwicklung kann sie schon aufgrund der föderalen Struktur der Bundesrepublik gar nicht nehmen.“ Mit Beispielen aus insgesamt 48 offiziellen Staatsbesuchen während seiner Amtszeit als Bundespräsident von 1984 bis1994 untermauerte er seine Kernthese: „Um zu wissen, wo er hingeht, muß der Mensch erfahren, wo er herkommt.“
Sein vitales Interesse an Zeitgeschichte, so von Weizsäcker in der an seinen Vortrag anschließenden Fragerunde, gründe sich auf den Wunsch, „an einem halbwegs humanen Weg in eine freiheitliche Weltordnung mitzuwirken“. Der Alt-Bundespräsident tut das ungeachtet seines hohen Alters aktuell in Gremien der Europäischen Union und der Vereinten Nationen.
Staat und Kirche
In diesem Zusammenhang berichtete von Weizsäcker von einem Gespräch, das er unlängst mit dem ehemaligen iranischen Präsidenten Khatami geführt hatte. Khatami versicherte ihm darin, daß der Iran auch unter der neuen Führung eine Demokratie anstrebe, die im Einklang mit der Religion stehe. Von Weizsäcker: „Ich habe Herrn Khatami daraufhin von den Auseinandersetzungen zwischen Staat und Kirche erzählt, die die Deutschen im Laufe ihrer Geschichte erlebt haben.“
Bei aller Beschäftigung mit der Geschichte, so Bundespräsident a.D. Richard von Weizsäcker, bleibe das primäre Ziel, „mit Verstand und Gefühl Antworten auf wichtige Fragen unserer Zeit zu finden“. Der Titel seines nächsten Vortrages am Donnerstag, 26. Januar 2006, lautet: „Die EU auf dem Weg zur politischen Union?“. Soviel verriet der Alt-Bundespräsident vorab: „Die Idee Europa ist revolutionär. Sie entstand in einer Zeit, als Europa auf dem Boden lag und gilt heute auf allen Kontinenten als erstrebenswertes Modell.“ Beginn ist um 18 Uhr auf dem Campus Essen.
Die Sparkasse pflegt seit vielen Jahren eine enge Kooperation mit der Universität. Bereits zum 18. Mal gab es im vergangenen Oktober die Universitätswochen mit drei Veranstaltungsabenden und jeweils 250 Teilnehmern. Regelmäßig stellen Professoren der Universität in Moers das Programm des Uni-Collegs vor. Mit den Innovationspreisen Mechatronik der Sparkasse werden in jedem Jahr herausragende Abschlußarbeiten gewürdigt. Und auch bei der Ansiedlung von An-Instituten ist die Sparkasse ihrem Partner Universität behilflich. So konnte etwa im April das Institut für Technologien der Biomechanik und Biomaterialien (ITBB) in Neukirchen-Vluyn eröffnet werden. „Wir verstehen uns als Standbein für die Universität hier auf der linken Rheinseite“, sagt Karl-Heinz Tenter, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse am Niederrhein.
30. November 2005