Der Comedyfreitag in der Sparkassen-Arena
MOERS. Die Kanadier haben Ideen, aber keine Flugzeuge. Die Italiener können Musik, haben aber keine Disziplin. Die Österreicher sind Altbacken, haben aber den Schmäh. Die Dänen, das wissen wir seit Hamlet längst, haben ein Gespür für Komisches und Seelisches zugleich. Und die Russen? Die haben eine alte Kultur, aber irgendwie die Mitte verloren. Dies alles und noch viel mehr zeigten die Künstler des Comedyfreitags zum Auftakt des Festivals.
Fulminanter Auftritt
Unter der Leitung ihres Dirigenten Valter Rado hatte das Running Orchestra bereits beim offiziellen Empfang mit Bürgermeister und geladenen Gästen in der Volkshochschule gezeigt, daß Disziplin nicht seine Stärke ist. Wohl aber exzellente Blasmusik. Und so erhielten die fünf Italiener und Deutschen für ihren fulminanten Auftritt in der Sparkassen-Arena am frühen Abend des ersten Comedytages in Moers begeisterten Applaus.
Der Auftritt auf der Bühne des 28. Comedy Arts Festivals war zugleich der erste für das Corpus Dance Projekt in Deutschland. Kein Wunder. „Wir Kanadier haben keine Flugzeuge, dafür aber Ideen“, bekannte der Kommandant der tanzenden Bodentruppe. Als fünf Piloten des 217. kanadischen Fliegerregimentes probten die Jungs aus Übersee den nächsten Einsatz; nur leider ohne Flugzeuge. Ihr respektloser Drill rechnete auf amüsante und rasante Art mit militärischen Ritualen ab. Viel Beifall erhielt eine Zuschauerin, die der Kommandant aus dem Publikum aushob und ihr befahl, als „Captain Fiffi“ und im schwarzen Minikleid zu tanzen.
Wettlauf mit der katholischen Kirche ums Erbe
Im Wettlauf mit der katholischen Kirche um das Erbe seiner Tante präsentierte sich Helfried, alias Christian Hölbling, dem Comedypublikum. Eben diese Tante, die ihn schon von Kind auf mit Opernbesuchen und anderen unzeitgemäßen Torturen gequält hatte, verlange von ihm, „daß ich mich innert acht Monaten verheirate, sonst fiele das gesamte Erbe dem Monsignore Ondraschi und seiner Kirchenfassade zu“. In antiquierter Sprache und einer Fürchterlichkeit von braunem Anzug spielte Helfried unter Zuhilfenahme einiger Statisten aus dem Publikum während 60 Minuten die anstehenden Stationen Standesamt, kirchliche Hochzeit, geselliges Zusammensein und Hochzeitsnacht durch. Das Problem: Das als Braut avisierte Fräulein Ingeborg wußte bis zuletzt nichts von ihrem Glück. Helfried: „Sie war immer so schnell weg, wenn sie mir den Kaffee serviert hatte.“
Einen Blick hinter die Bühne und in das Seelenleben gaben die beiden Clowns Paolo Nani und Kristján Ingimarsson aus Kopenhagen. Den roten Theatervorhang bespielten sie so, daß das Publikum sowohl davor als auch dahinter schauen konnte. Mit grandioser Körperbeherrschung und ganz viel Spielfreude und Artistik präsentierten sie die Geschichte zweier erfolgreicher Clowns. Als der eine von ihnen erfährt, daß er sterben wird, erhält die Gratwanderung zwischen äußerer Clownerie und innerer Traurigkeit einen tragischen Zug. Komödiantisch, choreographisch und artistisch boten die beiden einen der Höhepunkte des Abends.
Kein Arom von billigem Ketchup
Hinter den Erwartungen des Publikums zurück blieb das eigens aus Rußland angereiste Teatr Licedei. Die sicherlich perfekt ausgebildeten Eleven aus Sankt Petersburg, deren Kollegen vor zwei Jahren für wunderschöne Bilder und stehende Ovationen in der Sparkassen-Arena gesorgt hatten, debütierten in Moers mit einer ganz schrägen Performance. In einer Mischung aus Klimbim und Adams-Family karikierten die sechs Nachwuchsartisten des weltberühmten Clown-Ensembles den ganz normalen Wahnsinn des Familienalltags; mit mäßigem Erfolg beim Publikum.
Ungeteilten Beifall erhält in diesem Jahr unterdessen die freundliche und gut organisierte Gastronomie rund um das Festival. Endlich vorbei die Zeit, als sich über der Arena, in der sich drei Tage lang die Spitzenklasse der Comedywelt ein Stelldichein gibt, permanent das Arom von billigem Ketchup verbreitet.
7.8.2004Die Fotos vom Freitagabend beim Comedy Arts vermitteln einen Eindruck vom wechselvollen Programmbogen. Zum Vergrößern der Fotos einfach draufklicken.