Interview zum Einstieg des Bundes bei der Commerzbank

NIEDERRHEIN. Die Rheinische Post (Lokalredaktion Moers) fragte bei Winfried Schoengraf, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse am Niederrhein, nach Einzelheiten zum Einstieg des Bundes bei der Commerzbank. Das Interview erschien am Mittwoch, 14. Januar 2009, auf der Wirtschaftsseite des Grafschafters (Lokalausgabe Moers). Das Gespräch führte Dr. Heribert Brinkmann.

Ist es richtig, dass der Bund bei der Commerzbank mit Kapital einsteigt?

Winfried Schoengraf: Nach unseren Informationen erhält die Commerzbank vom staatlichen Sonderfonds zur Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) rund 18,2 Milliarden Euro. Der Bund erhält dafür eine Beteiligung von etwas mehr als 25 Prozent.

Was passierte Ihrer Meinung nach, wenn der Staat das nicht täte?

Der Bundestag hat angesichts der Finanzkrise ein Rettungspaket aufgelegt, das Banken vor dem Zusammenbruch schützen soll. Wenn die Commerzbank das jetzt umfassend nutzt, muss dieser Schritt unter den Schutzschirm erforderlich gewesen sein.

Die Sparkassen-Verbände kritisieren die Veränderung des bisherigen Wettbewerbs. Hat die Sparkasse am Niederrhein davon am regionalen Markt bereits etwas gespürt?

Was wir im Zusammenhang mit der umfassenden Finanzhilfe des Staates für die Commerzbank befürchten ist, dass bestimmte Produkte nicht zu marktgerechten Konditionen angeboten werden. Konkret bedeutet das, dass die Commerzbank nun eventuell besonders günstige Festgeld- oder Kreditkonditionen bieten kann. Und auch ein kostenloses Girokonto ist nicht marktgerecht, denn der Betrieb von Geldautomaten und die notwendige Infrastruktur kosten, wie wir aus eigener Erfahrung wissen, viel Geld.

Wo und wie ist die Sparkasse am Niederrhein ein "Gewinnler" der Finanzkrise? Hat sie neue Kunden? Neue Einlagen?

Ich mag im Zusammenhang mit der Finanzkrise nicht von Gewinnern reden. Viele Menschen haben Angst um ihre wirtschaftliche Existenz. Es zeigt sich aber doch sehr deutlich, dass das oft belächelte System der Sparkassen krisenfest ist. Vielen wird erst in diesen unsicheren Zeiten klar, dass die Sparkasse für Stabilität und Sicherheit steht. Und in der Tat zeigt sich das bei uns mit einem stärkeren Einlagenzufluss.

Wieso muss der Sparkassen- und Giroverband der Kölner Sparkasse unter die Arme greifen. Die Sparkassen waren doch angeblich so krisenunangängig?

Die Sparkasse KölnBonn hat zur Refinanzierung ihres Kreditgeschäftes 300 Millionen Euro von einer Tochtergesellschaft des Sparkassen- und Giroverbandes erhalten. Dieses Geld ist nicht mit der Finanzhilfe des Staates an die Commerzbank vergleichbar. Die Kollegen aus KölnBonn zahlen dafür einen im Interbankenhandel üblichen Zins.

Muss auch die Sparkasse am Niederrhein über den RSGV dafür bluten?

Im Gegenteil: Über unsere Beteiligung an der genannten Gesellschaft erhalten wir nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit anteilig die Verzinsung der so genannten Genussrechte.

Soll der Staat auch bei der WestLB einsteigen?

Das muss er nicht, er muss nur dafür sorgen, dass gleiche Bedingungen für alle herrschen. Mit dem Einstieg bei der Commerzbank benachteiligt der Bund die Eigner der Landesbanken gegenüber den Aktionären der Commerzbank. Die Stärkung der WestLB hat uns im vergangenen Jahr mit 7,8 Millionen Euro belastet. Das tut weh, wenn man sich klar macht, wie hart jeder Euro verdient werden muss.

Werden jetzt Kredite für den Mittelstand teurer oder schwieriger zu bekommen?

Auf gar keinen Fall. Die Versorgung des Mittelstandes mit Krediten ist eine unserer Kernaufgaben als öffentlich-rechtliches Kreditinstitut. Wir gewähren Kredite nach genau den gleichen Kriterien wie vor der Finanzkrise.

14. Januar 2009