Holger Queller berichtet vom Anlagemarkt

NIEDERRHEIN. Nach Einschätzung von Händlern deuten enttäuschende Quartalsberichte und zurückhaltende Ausblicke aus den USA auf eine schwache Berichtssaison hin. Ein Ende der Ölpreishausse ist nicht in Sicht. Massive Kursverluste im Bankensektor und bei General Motors belasten nicht nur den amerikanischen Markt.

Zudem erwächst den Aktienmärkten mit der kräftig anziehenden Inflation eine neue Herausforderung. Weltweit haben die enormen Preissteigerungen für Energie und Nahrungsmittel die Teuerungsraten auf Höchststände getrieben. Nachdem das Thema an den Börsen lange Zeit ignoriert wurde, warnen nun Volkswirte und Aktienstrategen vor deutlichen Rückschlägen. Sorge bereitet Experten insbesondere die drohende Mischung aus steigenden Inflationsraten und nachlassendem Wirtschaftswachstum. Ein solches als Stagflation bezeichnetes Umfeld wäre eine Art größter anzunehmender Unfall für die Aktienmärkte.

Kräftige Korrekturbewegungen

In vergangenen Stagflationsphasen, allen voran den 1970er-Jahren, haben Aktien kräftige Korrekturbewegungen gezeigt. Vergleiche mit den Preisexzessen der 70er weisen Experten bisher zwar zurück. Allerdings ist die Inflation zuletzt, angetrieben vom rekordhohen Ölpreis und teuren Nahrungsmitteln, weltweit sprunghaft angestiegen. In den USA liegt die Teuerungsrate inzwischen über vier Prozent, in der Euro-Zone stieg sie im Mai mit 3,7 Prozent auf den höchsten Stand seit 16 Jahren. Einige Schwellenländer kämpfen bereits mit zweistelligen Inflationsraten.

An den Börsen wurde das lange Zeit ausgeblendet. Erst als vor drei Wochen EZB-Präsident Jean-Claude Trichet und US-Notenbankchef Ben Bernanke fast gleichzeitig vor den Gefahren der Inflation warnten, fand das Thema Beachtung. Seither hat der Dax knapp 900 Punkte eingebüßt.

Die Kursverluste spiegeln vor allem die Angst vor steigenden Leitzinsen wider: Die Gefahr besteht, dass die Zentralbanken durch die Inflation zu deutlichen Zinserhöhungen gezwungen werden könnten und so die Konjunktur abwürgen. Die Folge wären deutlich sinkende Gewinnerwartungen der Unternehmen, die eine Korrektur der Aktienkurse nach sich ziehen würden. Verschärft wird die Situation dadurch, dass die Gewinnerwartungen angesichts nachlassender Konjunktur-perspektiven bereits deutlich gesunken sind.

Günstige Bewertung von Aktien

Mit Verweis auf die günstige Bewertung von Aktien – aktuell liegt das KGV im Dax bei 12,4 - halten auch die meisten anderen Banken bisher an ihren Prognosen fest, die den Dax am Jahresende überwiegend bei mindestens 7 000 Punkten sehen. Allerdings sind die günstigen Kennziffern mit Vorsicht zu genießen, da Investoren Aktien in Zeiten steigender Inflation generell geringere Bewertungen zugestehen. Momentan steuern viele Anleger bei Ihren Geldanlagen sichere Häfen an.

Damit spitzt sich für die Börsen alles auf die Frage zu, wie weit die Inflation noch steigt und ob der Anstieg der Öl- und Nahrungsmittelpreise Zweitrundeneffekte wie höhere Lohnabschlüsse nach sich zieht. Sollte dieser Fall eintreten, sind weitere Zinsschritte wahrscheinlich, die sich negativ auf die Konjunktur auswirken und die Kosten für Firmen deutlich steigern würden. Ein anderes Szenario wäre, dass im Zuge einer Konjunkturverlangsamung auch die Nachfrage nach Öl sinkt und über rückläufige Preise der Inflationsdruck gedämpft wird. Ob in einem Umfeld schwächeren Wachstums die Aktienmärkte davon profitieren würden, ist jedoch eine andere Frage.

Autor Holger Queller ist Anlageexperte bei der Sparkasse am Niederrhein.

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