Seidl las: „Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde“

Marie-Luise Hülsberg, Vorsitzende der Moerser Literarischen Gesellschaft : „Das wunderbare Buch hat nur an der Oberfläche mit Fußball zu tun, im Kern geht es um die Befreiung von Zwängen und die Erkenntnis, daß es noch eine andere Welt gibt.“

MOERS. „Aus! Aus! Aus! Das Spiel ist aus. Deutschland ist Weltmeister!“ Noch 52 Jahre nach dem Endspiel in Bern, in dem die deutsche Nationalelf gegen Ungarn siegte, sorgen die Worte von Radio-Reporter Herbert Zimmermann für Gänsehaut. Aus dem Mund von Rupert Seidl, dem früheren Intendanten des Moerser Schloßtheaters, verbreiteten sie nun erneut Spannung. Bei einer Lesung aus dem Buch „Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde“ ließ Seidl das Wunder von Bern im Rittersaal des Moerser Schlosses erneut lebendig werden.

Elfjähriger Pfarrerssohn

Die Moerser Gesellschaft zur Förderung des Literarischen Lebens hatte das Buch von Friedrich Christian Delius für die Veranstaltungsreihe „Eine Stadt liest ein Buch“ ausgesucht. „Wir wollen das Medium Buch stärker in das Bewußtein rücken“, sagt Marie-Luise Hülsberg, die Vorsitzende der Gesellschaft. Die Fußball-Weltmeisterschaft biete dabei den passenden Rahmen, das zehnjährige Bestehen des Vereins unter Einbindung vieler Moerser Schulen zu feiern. Die Sparkasse am Niederrhein unterstützt die Aktion, die mit verschiedenen Veranstaltungen wie Diskussionen und Lesungen am 8. November enden wird.

Mit Mittelpunkt von „Eine Stadt liest ein Buch“ steht die Erzählung von Friedrich Christian Delius, der den 4. Juli 1954 Revue passieren läßt. Das Endspiel in Bern gilt bis heute als das Fußballwunder, das die Nachkriegsgeschichte und das Selbstwertgefühl der Deutschen nachhaltig geprägt hat. Die Hauptfigur der Erzählung ist ein elfjähriger Pfarrerssohn.

Fußball ist nur die Oberfläche

Rupert Seidl integrierte gestenreich die Zuhörer in die überschaubare Welt des Jungen, der aufgeregt vor dem Radio sitzt. Für ihn wird dieser Sonntag im Juli 1954 zu einem ganz persönlichen Schicksalstag. Nicht nur Deutschland wird Weltmeister. Der Junge löst sich geistig aus der engen Welt seines Elternhauses und findet zu sich selber. Marie-Luise Hülsberg : „Das wunderbare Buch hat nur an der Oberfläche mit Fußball zu tun, im Kern geht es um die Befreiung von Zwängen und die Erkenntnis, daß es noch eine andere Welt gibt.“ Genau an der Stelle trifft sich „Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde“ mit dem Ziel der Literarischen Gesellschaft. Es geht darum, die Menschen wieder für Bücher zu begeistern, in denen neue Welten darauf warten, entdeckt zu werden.

Zum Abschluß der Veranstaltungsreihe wird Friedrich Christian Delius am 8. November, um 20 Uhr, in der Zentralbibliothek lesen

8.6.2006