Podiumsdiskussion zum Abschluß der Uni-Wochen
V.l.: Professor Dieter Bingmann, Dr. Margot von Renesse, Moderator Bernd Müller, Dr. Eckart Klaus Roloff und Dr. Günter Bensmann diskutierten zum Abschluß der 18. Universitätswochen in Moers ethische Fragen rund um die medizinische Forschung und Versorgung.
MOERS. Die Frage des Moderators Bernd Müller (WDR), ob sie die Aussicht auf biomechanische oder medizintechnische Höhenflüge in der modernen ärztlichen Versorgung der Menschen eher mit Sorge oder eher mit Mut erfülle, konnte die Bundestagsabgeordnete a. D. Margot von Renesse nicht eindeutig beantworten. Es sei natürlich erfreulich, daß die Menschen älter würden, aber man dürfe nie vergessen, daß das Leben trotz modernster Technik endlich sei. Die „Besinnung auf den Tod als Freund“ dürfe nicht aufgeben werden, mahnte die ehemalige Vorsitzende der Enquete-Kommission „Recht und Ethik in der modernen Medizin“.
Legierung als ethische Frage
Die Podiumsdiskussion zum Abschluß der 18. Universitätswochen in Moers, der in der Kundenhalle der Sparkasse am Niederrhein erneut rund 220 Zuhörer lauschten, war wieder – wie in der Vorjahren – der Höhepunkt der Veranstaltungsreihe. In der hochkarätig besetzten Diskussionsrunde stellte Bernd Müller zum Thema der diesjährigen Universitätswochen („Biomechanik und Bioethik – mit Chips und Bytes zur besseren medizinischen Versorgung“) die Eingangsfrage danach, „was wir können und was wir dürfen“, aber auch danach, „was wir bezahlen können“.
Dr.-Ing. Günter Bensmann, der eine Implantat-Firma in Essen führt, bekundete dazu offen, daß ihn als „gelernten Maschinenbauer“ ethische Fragen zwar weniger berührten, daß er sich solchen aber bei der Auswahl bestimmter Werkstoffe in der Endoprothetik dennoch stellen müsse: „Bestimmte Werkstoffe sind einfach besser und beständiger als andere, aber wegen der Kosten kann ich sie nicht immer verwenden.“ Bensmann ergänzte, daß bei Korrosion qualitativ schlechter Materialien „das umliegende Gewebe des Patienten versauigelt wird“.
Beständig nach besseren Lösungen suchen
Eher mit Skepsis betrachtet der Wissenschaftsjournalist Dr. Eckart Klaus Roloff vom Rheinischen Merkur in Bonn die Entwicklung der modernen Medizin. Es dürfe kein reines „Reparaturdenken“ Einzug halten. Viele Menschen seien von der Schulmedizin enttäuscht; sie vermissten mehr menschliche Anteilnahme und wendeten sich daher häufig der alternativen Medizin, etwa Heilpraktikern, zu.
Egal, wie krank der Mensch sei, ob körperlich oder geistig: sein Wert dürfe nie in Frage gestellt werden. Dies unterstrich Professor Dieter Bingmann, an der Universität lehrender Physiologe. Der medizinische Fortschritt, etwa bei den Hüftimplantaten, sei eine tolle Sache, jedoch dürfte man sich mit dem jeweils aktuell optimalen Weg nicht begnügen, sagte er weiter. „Wir müssen beständig nach noch besseren Lösungen suchen.“
Knochen ist das überlegene Material
Dem stimmte Margot von Renesse „im Prinzip“ zu. Dem medizinischen Fortschritt dürfe man keineswegs nur mit „Kulturpessimismus“ begegnen: Aber eine „Jagd nach Gesundheit“ sei verfehlt. Von Renesse: „Man muß sich vorbereiten auf eine Zeit, in der man nicht mehr so gesund ist wie heute. Wir dürfen nicht älter werden um jeden Preis – das Leben ist endlich.“ Der Mensch sei keine Maschine, der Arzt kein „Wiederhersteller“. Gesundheit müsse letztlich auch als Leistung des Patienten begriffen werden.
Die Stammzellenforschung berge im Blick auf die medizinische Versorgung von alters- oder verschleißbedingten Krankheiten durchaus noch ungeahnte Potentiale, darüber waren sich die Teilnehmer auf dem Podium einig. Die ethische Frage danach, ob die Verwendung embryonaler Zellen generell erlaubt werden könne, blieb zuletzt offen.
Sowohl die beiden Fachvorträge der 18. Universitätswochen als auch die Podiumsdiskussion zeigten deutlich, daß weder modernste Technik, noch hochdifferenzierte Chips und Bytes aus der Computertechnik bislang in der Lage sind, der Natur Paroli zu bieten. Der Physiologe Professor Bingmann: „Der Knochen ist nach wie vor das überlegene Material.“
20.10.2005