Briefe einer Moerser Jüdin ins Deutsche übersetzt
MOERS. Beinahe sechs Jahre lang hatte Ruth Wind noch ein "winziges Flämmchen Hoffnung". In ihrem letzten Brief an die Mutter am 9. März 1949 verabschiedete sie sich endgültig von ihr: "Ich warte nicht mehr auf dich, Mama." Die Abschiedsworte sind gleichzeitig der Titel eines eben erschienenen Buches mit einer Sammlung nie abgesandter Briefe. Die Aufzeichnungen der Moerser Jüdin, die 1933 zum Studium nach Italien ging und später dort blieb, spiegeln ihren Alltag und ihre tiefen Ängste um Eltern, Verwandte und Freunde im antisemitischen Deutschland.
Mit finanzieller Unterstützung der Kulturstiftung Sparkasse Moers organisierte die Moerser Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit die Übersetzung und Drucklegung der Briefe. Friedhelm Giesen hatte den Kontakt zu der in Mailand lebenden Autorin aufgebaut und die notwendigen Details in vielen Telefonaten mit ihr besprochen. Zuletzt besuchte die in Moers aufgewachsene Jüdin Ruth Wind (Jahrgang 1913) ihre Geburtsstadt im Juli 2000. "Sie bat darum, ihr Pseudonym auch nach ihrem Tod nicht aufgeben zu müssen", so Hans-Helmut Eickschen, Geschäftsführer der Gesellschaft.
Mit dem Buch liegen nun Erinnerungen und Gedanken einer Frau vor, der die Nazis Mutter, Vater, Verwandte und Freunde genommen hatten. Vom Schicksal der Eltern erfuhr sie später, daß sie nach ihrer Verhaftung und Deportation in Auschwitz umgebracht worden waren. Gleichzeitig führt sie die Leser in kleine Alltagsszenen ihrer Kindheit in Moers und der neuen Heimat Italien. Immer wieder flammt zwischendurch die Hoffnung auf, wenn sie spärliche Nachrichten aus Deutschland bekommt. Zuletzt schreibt sie: "Es gibt keine Vergebung, weder von denen, die all diese Jahre auf die Rückkehr ihrer Lieben gewartet haben, noch von denen, die weiterhin darauf warten oder die es vielleicht nicht mehr tun." Das Buch ist gegen eine Schutzgebühr von fünf Euro bei der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit sowie bei den Buchhandlungen Späthe und Böckler erhältlich.