Dr. Christian Hecker zur Entwicklung der Finanzmärkte

Dr. Christian Hecker (rechts) im Gespräch mit interessierten Zuhörern nach seinem Vortrag über Martin Luther als Finanzmarkt-Kritiker im Casino der Sparkasse am Ostring in Moers. Im Hintergrund links Dieter Zisenis vom Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt und Peter Mörbel von der Evangelischen Akademie im Rheinland (rechts).

Dr. Christian Hecker (rechts) im Gespräch mit interessierten Zuhörern nach seinem Vortrag über Martin Luther als Finanzmarkt-Kritiker im Casino der Sparkasse am Ostring in Moers. Im Hintergrund links Dieter Zisenis vom Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt und Peter Mörbel von der Evangelischen Akademie im Rheinland (rechts).

MOERS. Zinseinnahmen ja, aber bitte nur als Beteiligung an realwirtschaftlichen Geschäften. Diese Bedingung stellte Martin Luther im 16. Jahrhundert und würde das heute wohl noch vehementer fordern. Der studierte Historiker und Volkswirtschaftler Dr. Christian Hecker hat sich intensiv mit den finanzwirtschaftlichen Schriften Martin Luthers beschäftigt. Und davon gibt es mehr, als viele vermuten. „Nicht umsonst bezeichnete Karl Marx ihn als den ältesten deutschen Nationalökonomen“, sagte Dr. Hecker im Casino der Sparkasse am Niederrhein und nahm seine Zuhörer mit auf eine spannende Zeitreise. Zum Vortrag eingeladen hatten die Evangelische Akademie im Rheinland, der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt sowie der Arbeitskreis Evangelischer Unternehmer.

„Wissenschaftler verorten im 16. Jahrhundert die erste Phase der Globalisierung“, sagte Dr. Hecker und führte weiter aus: „Es gab damals zwar noch kein Bankenwesen wie wir es kennen, aber erstmals in der Weltgeschichte entwickelten sich länderübergreifende Finanz-Netzwerke.“ Deren Auswirkungen auf die Kirche beobachtete Martin Luther genau und kritisierte sie scharf: Machthungrige Kirchenfürsten ließen sich von reichen Finanziers korrumpieren. „Für Luther waren Zinsgeschäfte nur dann in Ordnung, wenn der Kapitalgeber auch am Verlust beteiligt war“, sagte Dr. Hecker und nannte ein Beispiel: „Nur nach guten Ernten gibt es Zinsen, nach schlechten nicht.“

Zudem seien Zinseinnahmen nur als Beteiligung an realwirtschaftlichen Geschäften erlaubt. Hier sprang Dr. Hecker mutig vom 16. ins 21. Jahrhundert: „Luther hätte die Ablösung des Finanzsektors von der Realwirtschaft, wie wir sie heute kennen, ganz sicher gebrandmarkt.“ Vor der Finanzkrise 2007 seien die Börsenumsätze auf das 70-fache des Bruttosozialproduktes angewachsen. Dann platzte die Blase. Martin Luthers 500 Jahre alte Vision – „Deutschland wird der Finanziers leibeigen werden“ – sei vor zehn Jahren wieder aktuell geworden, so Dr. Hecker. Denn das Schnüren von Bankenrettungspaketen sei nichts anderes, als die Verluste der Finanzkrise von den großen Kapitalgebern auf die Staaten und damit auf die Allgemeinheit abzuwälzen.

Mit den Verwerfungen der globalen Finanzwelt kennt sich der Referent gut aus. Dr. Hecker gehört dem Stab des Präsidenten der Hauptverwaltung Hamburg der Deutschen Bundesbank an. Dort beschäftigt er sich mit der Finanzmarkt-Regulierung. Auf dem Gebiet könne man aus Luthers kritischen Gedanken durchaus Lehren für die Zukunft ziehen, meinte Dr. Hecker und entwickelte daraus Leitgedanken, die unserm Handeln gut tun würden: „Wirtschaft ist kein Selbstzweck, sondern Dienst für andere. Und die Handlungsfähigkeit der Politik gegenüber wirtschaftlichen Akteuren muss gewahrt bleiben.“

4.9.2017

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