Podiumsdiskussion zum Abschluss der 25. Universitätswochen

Diskutierten in der Kundenhalle der Sparkasse am Niederrhein über Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft in der Volksrepublik China (v.l.n.r.): Moderator Jörg Zimmer, Professor Thomas Heberer und Professor Xu Kuanhua. Nicht im Bild: Dr. Klaus T. Müller.

MOERS. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt ist China nach den USA die zweitstärkste Volkswirtschaft. Ist das Land auf dem Weg zur Weltmacht Nummer Eins? Und wie entwickelt sich das Riesenreich in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft? Zum Abschluss der 25. Universitätswochen in der Kundenhalle der Sparkasse am Niederrhein erlebten rund 250 Zuhörer, wie ein Stahlproduzent, ein Politikwissenschaftler und ein chinesischer Germanistikprofessor von ihren ganz praktischen Erfahrungen berichteten und dabei ein uneinheitliches Bild Chinas zeichneten. Professor Xu Kuanhua vom Konfuzius-Institut Metropole Ruhr fand dafür ein schönes Bild: „China ist wie ein schwer zu lesendes Buch.“

Im Gespräch blieb Professor Xu stets freundlich, aber zunächst vage. Moderator Jörg Zimmer entlockte ihm jedoch einige interessante Einblicke. „Wir Chinesen streben nicht nach der Weltmacht. Wir wollen einfach nur besser leben als in der Vergangenheit“, beschreibt Xu das, was die meisten seiner Landsleute bewegt: „Politik ist nicht wichtig.“ Das sei größtenteils noch so, bemerkte Professor Thomas Heberer, Ostasienwissenschaftler an der Universität Duisburg-Essen, doch vor allem junge Leute hinterfragten zunehmend die traditionellen moralischen Werte. „Bisher galt: Das Schicksal von Menschen, die ich nicht kenne, ist mir egal. Doch es entfaltet sich ein neues Rechtsempfinden“, so Heberer.

Trotz kritischer Strömungen säßen die Regierenden grundsätzlich fest im Sattel, stellte der Politikwissenschaftler fest: „Die politische Elite entwickelt das Land erfolgreich, weil es die Mehrheit am Wachstum teilhaben lässt.“ Ob das so weiter gehen kann, bezweifelt Heberer: „China wird auf lange Zeit die USA wirtschaftlich und wissenschaftlich nicht überflügeln können.“ Das sieht Dr. Klaus T. Müller von ThyssenKrupp Steel Europe ganz anders: „Das Land wird schon bald die Wirtschaftsmacht Nummer Eins sein.“ Seine Erfahrungen in der Stahlbranche zeigten, dass früher deutsche Firmen neben Industrieanlagen auch viel Know-how nach China brachten. „Heute stehen die modernsten Werke in China und wir schauen uns was ab.“

Wohin die Volksrepublik steuere und ob Probleme auf das Land zukämen, wollte Jörg Zimmer von den Experten wissen und bekam vollkommen unterschiedliche Einschätzungen. Dr. Müller lobte den gut ausgebildeten Nachwuchs, die flexiblen und mobilen Arbeitnehmer und eine korruptionsfreie Wirtschaft. Seine These: „Wir werden irgendwann den Golf aus China kriegen – das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.“ Professor Heberer hingegen sieht immense Probleme auf China zukommen: „Mittelständische Unternehmer berichten mir von durchgängiger Korruption.“ Zudem werde sich die auf Masse statt Klasse ausgerichtete Ausbildung an den Universitäten und in den Betrieben schon bald rächen: „In zehn Jahren wird China für viel Geld Facharbeiter ins Land holen müssen.“

26.10.2012

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