Eberhard Piltz sprach über „Amerika nach der Wahl“

MOERS. Eberhard Piltz, der Leiter des ZDF-Studios in Washington, hat aus persönlichen Erfahrungen im US-Präsidentschafts-wahlkampf ein nüchternes Fazit gezogen: „Weder als Korrespondent in Rom, Paris oder Tel Aviv mußte ich zu Hause je so kraß gegen Vorurteile ankämpfen.“ Auf Einladung der Sparkasse am Niederrhein sprach der Fernsehjournalist jetzt vor rund 300 Zuhörern in der Kundenhalle am Ostring über „Amerika nach der Wahl“. In seinem rund einstündigen Vortrag formulierte er ein klares Ziel und einen dringlichen Rat: „Deutschland und Europa müssen die Brillen ihrer Vorurteile abnehmen und sich spätestens nach der Wiederwahl von George W. Bush mit Amerika und seiner Politik intensiver auseinandersetzen. Die Folgen sind sonst verheerend.“

Aktuell kommentierte der eben aus Washington zurückgekehrte Piltz die Benennung von Condoleezza Rice, der ehemaligen Sicherheitsberaterin von George W. Bush, zur neuen Außenministerin. „Man wird von dieser ebenso intelligenten wie loyalen Frau keinen strategischen Einfluß auf den Präsidenten erwarten.“ Aus dem engsten Kreis um Bush, so Piltz weiter, sei nach dem Ausscheiden Colin Powells nun noch weniger Widerspruch gegen seine Entscheidungen zu erwarten. Allerdings glaube er, daß in den nächsten zwei bis drei Jahren auch kein Krieg mehr zu erwarten sei, den Amerika im Alleingang beginne. Piltz: „Die USA haben von der Situation im Irak gelernt.“

George W. Bush wird am erklärten Ziel Amerikas festhalten

Trotzdem: Nach seiner Bestätigung im Amt, die George W. Bush seinem mächtigen Vater voraus habe und die damit viel Einfluß auf sein Selbstbewußtsein haben werde, werde er unbeirrt am erklärten Ziel Amerikas festhalten. Und das ist: Die Demokratie auch in Staaten zu verankern, in denen der Islam sich vermeintlich als demokratiefeindlich erweise. Eberhard Piltz: „Die Amerikaner empfinden den Isalm viel stärker als Bedrohung als die Europäer, das ist eine Wahrheit, die man verstehen muß.“

Der Irak-Krieg sei in der amerikanischen Gesellschaft höchst unpopulär. Doch gelte nach wie vor der eiserne Grundsatz, daß man den Oberbefehlshaber nicht kritisiert, solange die Truppen im Feld stünden. Eine entscheidende Rolle im Wahlkampf hätten die Themen Religion, Moral und Werte gespielt. 75 Prozent der Amerikaner geben an, daß Jesus und Gott in ihrem Leben eine große Rolle spielen. George W. Bush, der jeden Tag mit einem Gebet beginne, habe insbesondere bei den Evangelikalen viele Stimmen geholt. Eberhard Piltz: „Und die machen schon ein Viertel der Wähler aus.“ Dem emotional und viel volksnäher auftretenden Bush sei es stärker als seinem Herausforderer Kerry, der elitär und unnahbar wirke, gelungen, die Wählerbasis zu mobilisieren. Davon, so berichtete der ZDF-Journalist, konnte er sich bei vielen Wahlkampfveranstaltungen quer durch die USA persönlich überzeugen.

Verständigungsschwierigkeiten

Zwischen Deutschland und Amerika gebe es aktuell Verständigungsschwierigkeiten, die in den vergangenen Jahren stärker geworden seien. Piltz: „Und dies liegt weniger an den handelnden Personen als an strukturellen Unterschieden.“ Die Erfolgsstory der einstmals guten Partnerschaft, die unter anderem durch die Luftbrücke, den Marshallplan und Amerikas Eintreten für Deutschland als Nato-Partner geschrieben worden sei, sei offenbar zuende. Mit der Entscheidung Deutschlands gegen den Irak-Krieg gebe es nun ein neues Kapitel, das von der Enttäuschung der Amerikaner darüber geprägt sei, daß die Deutschen das Grundvertrauen in die Politik der USA verloren hätten. Eberhard Piltz: „Zwischen George W. Bush und Gerhard Schröder wird es nie wieder mehr geben als den höflichen Umgang zweier Staatsmänner.“

Karl-Heinz Tenter, der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse am Niederrhein, bedankte sich bei Eberhard Piltz für sein Kommen und bei Paul Spiegel, „der die transatlantische Verbindung geschlagen hat“.

16.11.2004