Schocker-Show zum Abschluß des Festivals (Link zur Fotoseite unten)
MOERS. Golfschläger sind für Leo Bassi Massenvernichtungswaffen. Das klingt zunächst wie ein schlechter Scherz. Doch wer Leo Bassi kennt, der weiß: Bassi macht keine schlechten Scherze. Und wenn er von Vernichtung spricht, dann kann es auf der Bühne mitunter ziemlich exzessiv werden. Zum Abschluß des 27. Comedy Arts Festivals zeigte der Altmeister der konstruktiven Zerstörungswut den rund 1500 Zuschauern in der Sparkassen-Arena, daß er es mit seinem Humor sehr ernst meint. Zum Beweis aß er eine Hand voll Kuhmist. „Ich tue das symbolisch für alle, die jeden Tag so etwas hinunterschlucken, wenn sie zum Beispiel einen tyrannischen Chef haben, aber nichts gegen ihn unternehmen.“
Keiner der Künstler, die am dritten Tag des Comedy Arts Festivals das rund fünfstündige Bühnenprogramm bestritten, ließ sich die neue Show von Leo Bassi mit dem Titel „12th of September“ entgehen. Sowohl die vierköpfige Band „The Beez“, als auch das „Chaostheater Oropax“ und „Die kleine Tierschau“ hatten bereits während ihrer Auftritte darauf hingewiesen, „daß nachher noch Leo Bassi“ komme. Und dabei schwang ein unüberhörbarer Ton der Bewunderung für den Sproß einer italienischen Zirkusfamilie mit, der sich vom Jongleur und Artisten in die Weltliga der Komödianten empor gespielt hat.
Team der Volksschule im Dienst der Künstlerwünsche
„The Beez“, die bereits am Vormittag beim Vereinsfrühschoppen der Sparkasse Moers einige ihrer Lieblingslieder gespielt hatten, eröffneten den ganz leicht verregneten Abend. Das Quartett, zu gleichen Teilen Frauen und Männer, bewies neben musikalischem Gespür auch Witz bei der Bearbeitung von Evergreens. Sie persiflierten unter anderem Kiss, Abba, Queen und Alexandra. Besonders gelungen war eine Bee-Gees-Nummer, bei der Robin Gibb (Rob Rayner) mit einer billigen Schneidezahn-Prothese zu kämpfen hatte, die ihm bei den hohen Tönen verloren zu gehen drohte.
Laut und kraftvoll bemächtigten sich die Brüder Martins vom „Chaostheater Oropax“ der Bühne. Spontaneität und Improvisationsfreude bewiesen sie schon einige Stunden vor ihrem Auftritt, als sie etwa gegen fünf Uhr aus dem Auto im Festivalbüro anriefen und drängten, sie bräuchten unbedingt noch zwei Stücke Schwarzwälder-Kirschtorte für ihre Show. Diesen und viele andere Extrawünsche der diesmal verpflichteten Künstler löste das Team der Volksschule am Südring um Anne-Marie Franz und Wenke Seidel klaglos und sorgte so, zusammen mit ungezählten Litern Kaffee, für allzeit gute Stimmung im Back-Stage-Bereich.
Fast Food Comedy
So verquer der Titel des neuen Programms klingt, „Der doppelte Halbbruder – Die Mutation des Möglichen“, präsentierten sich die Brüder zuletzt auch auf der Bühne; mal mehr, mal weniger witzig. Die umständlich lange Sofanummer, in der zuletzt ein Satz aus dem Buch „Moby Dick“ vorgelesen wird, mündet in die Pointe: „Er liest toll, besonders die Vokale, aber auch die Kosmonauten.“ Wie gesagt, zwischendurch ganz witzig, aber in der Energiebilanz Fast Food Comedy.
Gemessen an den nicht erreichten „108 Prozent“, dem Running-Gag der Brüder Martins, blieb auch „Die kleine Tierschau“ deutlich unter dem Stimmungspegel des diesjährigen internationalen Komödiantentreffens. Das an diesem durchwachsenen Sonntag gut auf alle Wetterbedingungen eingestellte Publikum erlebte eine akzeptable und musikalisch ansprechende, nicht aber eine mitreißende Show, die das Zwerchfell oder die Sinne unter herzerwärmendes Dauerfeuer genommen hätte. Selbst die genialen Kostüme der drei Künstler und manche schöne Idee, wie die, im Whirlpool auf der Bühne darüber nachzudenken, ob das Publikum überhaupt noch da sei, konnten den mäßigen Gesamteindruck nicht verhindern.
„Destroying the system by fucking the image.“
Nach einer letzten Umbaupause und einem Video-Vorspann mit Bildern des 11. Septembers 2001 begann das, worauf sich die Festivalbesucher wochenlang gefreut hatten. Leo Bassi betrat, wie gewöhnlich, in Anzug und Krawatte die Bühne, jedoch über und über mit Staub bedeckt. „Das beeindruckendste Bild nach dem Anschlag auf das World Trade Center war für mich der New Yorker Geschäftsmann, der staubbedeckt am Straßenrand in Manhattan sitzt.“ Ein Vertreter der Weltmacht, die immer stahlt und siegesgewiß in Kameras blicke, plötzlich am Boden, schmutzig und in der Pose des Verlierers.
Bassi nahm daraus die Idee zu einer Schocker-Show, die die mediengestützte Auffassung davon, wer Held und wer Terrorist ist, mächtig durchschüttelt. „Explore the world of Terrorism“ (Entdecken Sie die Welt des Terrorismus), lud Bassi sein Publikum ein. Seine Rolle als Clown machte er im Blick auf die erklärten Feinde ganz klar: „Schon im Mittelalter war es so, daß auf der einen Seite der König war und auf der anderen der Spaßmacher, der ihre Macht konterkarierte.“ Neu bei ihm sei eben, daß er nicht mehr mit großen Schuhen und in schreienden Farben daherkomme, sondern im Anzug: „Destroying the system by fucking the image.“
Planen bis zu den Nasen
Nach diesem tiefgründigen Prolog ging’s los. Zuerst steckte er den Rest einer amerikanischen Flagge in Brand, dann schüttelte er die unvermeidliche Coladose und bohrte mit einem Akkubohrer hinein. Mehrere Dosen fielen schließlich auf dem in Moers wohlbekannten Holzblock seinem großen Hammer zum Opfer. Die Zuschauer in den ersten Reihen zogen die mitgebrachten Planen bis zur Nase hinauf oder machten sich aus dem Staub.
Mit einem lässig über die Schulter geschwungenen Golfschläger in der Hand berichtete er von Golfplätzen in Kenia, die von Sicherheitspersonal mit Maschinengewehren gegen die einheimische Bevölkerung geschützt werden. „Es gibt dort wenig Wasser, aber die Greens sind immer gut gewässert.“ Golfspieler seien dafür verantwortlich, daß seine weiße Hautfarbe unter der schwarzen Bevölkerung einen schlechten Namen habe.
Mit 300 km/h in den Schädel
Kurzerhand erklärte er die Golfer zu Terroristen und vermutete unter den 1500 Besuchern der Sparkassen-Arena mindestens 100 von ihnen. Von einem kleinen Grasquadrat aus drohte er, einen Golfball ins Publikum zu schlagen. „Wenn der mit 300 Stundenkilometern bei ihnen im Schädel ankommt, wird der Sport zur Passion.“ Träfe der Ball einen Nicht-Golfer, müsse man das als Kolalateralschaden einfach akzeptieren. Zuletzt tauschte er den Ball doch gegen einige Paletten Eier aus, deren Inhalt in weitem Bogen in die Sitzreihen flog.
Brennend plädierte Bassi dafür, als Alt-Europäer stolz auf die erfolgreiche Friedenspolitik der letzten Jahre zu sein und das Modell Amerika endgültig auszumustern. Fazit: Fast Food Comedy ist Leo Bassis Sache nicht. Doch trotz der schweren Kost seiner Themen fehlt es seinen Auftritten nie an Leichtigkeit. Viele erinnerten sich noch an ein Bild vom vergangenen Festival: Leo Bassi gießt sich vier Kilogramm Honig über den Körper und zerreißt in einer durchsichtigen Röhre mit Wirbelwind ein Federkissen. Anschließend fragte er das staunende Publikum „Haben Sie jemals einen Engel gesehen?“. Unter manche gelachte Träne mischte sich eine echte, wie diesmal auch. Standing Ovations für Leo Bassi zum Abschluß des 27. Comedy Arts Festivals.Die Fotos vom Sonntagabend beim Comedy Arts vermitteln einen Eindruck vom wechselvollen Programmbogen. Zum Vergrößern der Fotos einfach draufklicken.